Was ist nun das besondere, das UNIX auszeichnet?
UNIX hatte Features, die heute zwar selbstverständlich geworden sind,
aber damals noch recht neu waren und jahrzehntelang brauchten, bis sie
auch die "landläufigen" Systeme erreichten, z. B.:
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Hierarchisches File-System, d. h. die Möglichkeit, Dateien in
Ordnern zu strukturieren - die ersten DOS-Versionen ab 1980
beherrschten dies noch nicht.
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Multitasking, d. h. mehrere Programme (oder Prozesse) können
gleichzeitig laufen, ohne sich zu stören. Von Anfang an war dieses
Multitasking preemptiv, d. h. die Steuerung und Zuteilung
des Prozessors wird direkt vom Betriebssystemkern übernommen, ohne
dass einzelne Programme fehlerhaft oder böswillig das ganze System
in den Abgrund ziehen können - bei Windows und Mac war man erst
in der zweiten Hälfte der 90er Jahre auf dem Weg dorthin.
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Multiuser-System, d. h. mehrere Benutzer können am gleichen System
arbeiten und ihre Daten und Ressourcen beliebig für den Zugriff
durch andere Benutzer sperren oder freigeben. Es können auch mehrere
Benutzer am System gleichzeitig arbeiten, wenn die Hardware es zulässt
(z. B. zusätzliche Konsolen oder Arbeiten über Netzwerkverbindung).
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Netzwerkfähigkeit, schon sehr früh wurden die UNIX-Kernel mit
einem TCP/IP-Stack ausgestattet und bildeten so sehr schnell
das Rückgrat des damals noch jungen Internets.
Darüber hinaus haben UNIX-Systeme charakteristische Eigenschaften:
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UNIX war unabhängig von irgendeiner bestimmten Hardwareplattform.
Die meisten Betriebssysteme damals (und auch noch heute) waren auf
einen bestimmten Prozessortyp zugeschnitten und diese Abhängigkeit
setzte sich fort in den Programmen, die für diese Systeme geschrieben
wurden. UNIX abstrahiert soweit von der Hardware, dass es möglich
wird, das System auf andere Plattformen zu portieren und dann
UNIX-Programme ohne große Änderungen dort laufen zu lassen.
Zwar gab es schon damals standardisierte Programmiersprachen,
die auf mehreren Plattformen verfügbar waren, aber immer in
leicht abgewandelter Form, so dass es praktisch unmöglich war,
einfach portierbare Programme zu schreiben.
Ein Grund für die Portabilität lag darin, dass UNIX nicht in Assembler
sondern in C programmiert war (eine Hochsprache, die 1972 von Thompson
entwickelt wurde). Zunächst war der UNIX-Code jedoch, obwohl er zum
großen Teil in C geschrieben war, sehr stark an die Architektur des
PDP gebunden. Erst mit UNIX Release 7 (1979) wurde der Code wirklich
portabel.
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UNIX kommt von Hause aus mit einer Fülle an Programmier- und
Entwicklungstools und -bibliotheken: man muss nicht erst lange
viel Software nachinstallieren, sondern findet das wichtigste
schon vor und kann davon ausgehen, dass auf jedem entsprechenden
UNIX-System das gleiche vorhanden sein wird.
Ein legendäres Programm, das schnell zum Grundbestandteil eines
UNIXes wurde, war z. B. die Shell sh, die Steve Bourne schrieb. Der
Linuxgemeinde ist sein Name in der allseits bekannten bash (Bourne
Again Shell) überliefert.
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UNIX ist transparent, d. h. die ganze Systemkonfiguration ist für
den Administrator frei zugänglich.
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UNIX ist nahezu beliebig automatisierbar, z. B. für
Administrationszwecke.
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UNIX verfügt über elegante Programmierkonzepte, die dem ästhetischen
Empfinden vieler Programmierer entgegenkommen.
Zur Schreibweise: es hat sich eingebürgert, "UNIX" nur mit
Großbuchstaben zu schreiben. Puristen meinen zwar, es
sollte besser "Unix" heißen, da es für keine Abkürzung steht,
diese Ansicht hat aber bislang keine große Anhängerschaft
gefunden. Man sollte hier auch nicht zu pingelig sein.
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